Ich wollte ein Spiel entwickeln, das Menschen aus ihrer vermeintlichen Komfortzone lockt. Ein Spiel, das sie ermutigt, ausgetretene Pfade zu verlassen und mutiger durchs Leben zu gehen.
Für diese Idee brauchte ich jemanden, der Spielmechanik und Tiefe miteinander verbinden kann. Jemanden, der zuhört, weiterdenkt und auch selbst mutig ist. Ronald Hild, Spieldesigner, Co-Autor und kreativer Komplize, war sofort dabei. Als erfahrener Spieldesigner hat er schon die unterschiedlichsten Konzepte umgesetzt, aber noch nie eines, das ganz auf Persönlichkeitsentwicklung abzielt. Das war auch für ihn Neuland.
Ich habe mit ihm darüber gesprochen, was ihn an der Idee gereizt hat, wie aus einer vagen Vision ein konkretes Spiel wurde und bei welcher Aufgabe selbst er ins Schwitzen kommt.
Ron, was war dein erster Gedanke, als du von der Idee eines Spiels zum Thema Mut gehört hast?
Mutig. Nein, im Ernst: Für mich klang das Thema sofort interessant und reizvoll. Als Spielentwickler habe ich schon Konzepte zu den verschiedensten, ungewöhnlichen Themen erarbeitet. Warum also nicht auch zum Thema Mut?
Wie geht man als Spieledesigner an ein so ungewöhnliches Thema wie „Mut“ heran?
Mut ist etwas sehr Individuelles. Für manche ist es ein Abenteuer, ohne Seil senkrecht auf einen Berg zu steigen – für andere ist es mutig, den Zahnarzt anzurufen. Zuerst war es mir deshalb wichtig, mich mit dir als Impulsgeberin intensiv zu deinen bisherigen Gedanken auszutauschen. Gibt es Vorstellungen von einer Zielgruppe, an die sich das Spiel richten soll? Gibt es Aspekte, die dir wichtig sind? Was möchtest du mit dem Spiel erreichen?
Im Gespräch entstand dann die Idee, das Spiel so zu gestalten, dass es die Spielenden auf ihrem Weg zu mehr Mut begleitet. Das Bild einer Reise war der Aufhänger, um den herum wir dann die einzelnen Elemente gestaltet haben.
Was war bei der Entwicklung von Mutamorphosis die größte Herausforderung und was war der schönste Moment?
Die aus meiner Sicht größte Herausforderung konnten und können wir nicht abschließend bewältigen. Wie eben schon erwähnt: Mut ist etwas sehr Individuelles. Wir haben versucht, Aufgaben zu entwickeln, die Schritt für Schritt mehr Überwindung oder Mut benötigen, um sich ihnen zu stellen. Die Reise und die Erfahrungen, die die Spielenden machen, werden sich unterscheiden. Manche Spielerinnen finden eine Aufgabe am Ende ganz leicht, tun sich aber mit einer vermeintlich einfachen Aufgabe zu Beginn schwer.
Wir haben einen Rahmen geschaffen, der diese Reise begleitet – wir können aber nicht garantieren, dass alle Spielenden tatsächlich den Weg bis zu Ende gehen.
Und was war der schönste Moment?
Da gibt es tatsächlich einige – es fällt mir schwer, mich hier auf eine klare Nummer 1 festzulegen. Wenn ich mich aber entscheiden muss, sind es die positiven Rückmeldungen nach den ersten Testrunden. Als Entwickler habe ich immer ein bisschen Angst, wenn Konzepte erstmals „in freier Wildbahn“ eingesetzt werden. Für mich ist es gleichermaßen schön und erleichternd, wenn die Grundideen funktionieren und den Spielenden auch noch Freude bereiten.
Was unterscheidet Mutamorphosis von klassischen Brett- oder Kartenspielen?
Wenn nur das Material betrachtet wird, nicht viel. Die Besonderheiten liegen im Konzept. Während klassische Brettspiele in einem recht engen zeitlichen und räumlichen Rahmen gespielt werden, ist das bei Mutamorphosis anders. Die Spielenden entscheiden selbst, wie viel Zeit sie für die einzelnen Aufgaben benötigen und wie lange ihre Reise dauert. Einige der Aufgaben können im heimischen Wohnzimmer erledigt werden, für andere muss man nach draußen gehen.
Das Spiel setzt Impulse, die Umsetzung liegt in den Händen der Spielenden. Zudem hat Mutamorphosis zwar ein Ziel, auf das die Spielenden hinarbeiten – aber selbst wenn sie dieses Ziel nicht erreichen, können sie schon gewonnen haben, neues Selbstvertrauen und neue Perspektiven zum Beispiel.
Gibt es eine Aufgabe, bei der du selbst denkst: „Puh, das würde mich Überwindung kosten“?
Oh ja, einige. „Sprich jemanden auf der Straße an und mache ihr/ihm ein Kompliment“, würde mir da spontan einfallen. Für mich persönlich sind die Aufgaben, bei denen man mit anderen, unbekannten Menschen in Kontakt treten muss, generell am schwierigsten. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass aus solchen Begegnungen tolle Momente entstehen können. Es lohnt sich also, mutig zu sein.
Zum Schluss: Was wünschst du dir für die Menschen, die Mutamorphosis spielen?
Ich würde mich freuen, wenn unser Spiel dazu beitragen kann, dass die Menschen tatsächlich ein wenig mutiger werden. Dabei geht es nicht um extreme Herausforderungen, sondern um den Mut, im Alltag für seine Gedanken, Ziele und Wünsche einzustehen.
Danke für das Interview.
Mehr Informationen zu Ronald Hild findest du auf seiner Website: Ronald Hild – Zeit für Spiele

